Page 8 - DRW Gemeinsam - 02/2022
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Menschen mit Behinderung:


       So erleben sie die Corona-Zeit

       Wie sich das Leben für Bewohnerinnen und Bewohner

       des Dominikus-Ringeisen-Werks geändert hat
       Seit über zwei Jahren                                  besonders hart getroffen
       herrscht die Corona-Pande-                             hat. Einmal, erzählt sie, wur-
       mie. Doch, auch wenn der-                              de sie von ihrem Bruder vom
       zeit Regeln gelockert und                              Heimatbesuch nach Hause
       Einschränkungen zurückge-                              gebracht, doch ihr Corona-
       fahren werden, bleibt die                              Test war nicht eindeutig.
       Lage in Einrichtungen der                              Eigentlich hätte sie aufgrund   Leonhard Haugg bewohnt ein
       Behindertenhilfe, in der Al-                           der strengen Corona-Verord-  Apartment im Haus Joachim.
       tenpflege und in Kranken-                              nungen wieder nach Hause    Er ist Mitglied der Bewohner-
       häusern angespannt. In den                             zurückgemusst. Da habe sie   vertretung und sieht noch
       letzten zwei Jahren haben                              sich kurzzeitig so richtig hei-  viele Möglichkeiten zur Ver-
       sich vor allem Politiker, Ärzte                        matlos gefühlt, ohne Schutz   besserung der Lebensqualität
       und Epidemiologen öffent-                              und Obdach, bis Mitarbei-   in der Einrichtung.
       lich geäußert. Eine Gruppe,                            tende eine Lösung für sie
       so scheint es, wird jedoch   Renate Rehm und Johanna   fanden und sie in Pfaffen-  nicht das Einzige, was den
       vom Radar der prasselnden    Morgan aus der Pfaffenhau-  hausen bleiben konnte.   70-Jährigen verbittert. „Ich
       Corona-Beiträge nicht er-    ser Einrichtung des DRW für   „Pfaffenhausen ist doch   bin zweimal geimpft und
       fasst: Menschen, die zur so-  sehbeeinträchtigte Menschen   meine Heimat“, sagt sie.    einmal genesen. Das war
       genannten vulnerablen Be-    im Hof von Haus Maria.    „Da ist was in meinem Kopf   schon im November und ich
       völkerungsgruppe gehören.   mand ein Eis für alle spen-  kaputtgegangen.“         wünsche mir endlich einen
       Hier erzählen Menschen mit   diert hat? Oder wenn einer   „Mit Corona ist für mich   Genesenennachweis, damit
       Behinderung und alte Men-   mit der Wasserpistole rum-                            ich wieder zum Kaffeetrin-
       schen, wie sich ihr Leben in   spritzte und wir alle nass   das Leben gestorben“  ken oder ins Bräuhaus ge-
       der Pandemie verändert hat.   wurden? Und abends haben   Aufenthalte im Freien sind   hen kann.“ Demnächst soll
       Ein Stimmungsbild aus dem   wir zusammen den Bergdok-  das Einzige, was Leonhard   Leonhard Haugg die nötige
       Februar, aufgezeichnet von   tor im Fernsehen geschaut.“  Haugg im Moment bleibt. Er   Booster-Impfung bekom-
       Petra Nelhübel.                                        bewohnt ein Apartment im   men, damit seinen zukünfti-
                                   Das heitere Pingpong der   Ursberger Haus Joachim.    gen Gaststättenbesuchen
       „Da ist in meinem Kopf      schönen Erinnerung geht    Einsame Spazierfahrten im   nichts mehr im Wege steht.
       was kaputtgegangen“         weiter, bis beide beim The-  Rollstuhl sind das, weil sein   Seit seinem sechsten Le-
       Renate Rehm und Johanna     ma Corona wieder ernst wer-  bester Freund zum Zeitpunkt   bensjahr wohnt er im Domi-
       Morgan: Sie sind sehbeein-  den. Seit Beginn der Schutz-  des Interviews in seiner   nikus-Ringeisen-Werk, er-
       trächtigt und leben in Pfaf-  maßnahmen sind Begegnun-  Wohngruppe in Quarantäne   zählt er, und als Mitglied der
       fenhausen, das zum DRW-     gen nur noch innerhalb der   ist und das Haus nicht ver-  Heimbewohnervertretung
       Unterallgäu gehört. Beide   Wohngruppe möglich.        lassen darf. Das ist jedoch   liegt ihm sehr viel daran, das
       leben schon viele Jahre in   Freundschaften mit Bewoh-
       derselben Wohngruppe von    nern anderer Gruppen oder
       Haus Franziskus und erzäh-  Einrichtungen können nur
       len lebhaft von ihrem Alltag   mühsam über Telefonkon-
       vor Corona. „Bei uns war    takt aufrechterhalten wer-
       immer was los“, beginnt die   den. „Meine besten Freunde
       67-jährige Johanna. „Wir ha-  sind außerhalb der Wohn-
       ben Kniffel gespielt und uns   gruppe“, berichtet Johanna,
       mit Freunden aus der Grup-  „so bin ich die meiste Zeit
       pe Eduard getroffen. Ich    allein auf meinem Zimmer
       habe Vorträge besucht und   und niemand kommt zu Be-
       an den Besinnungswochen-    such.“ Auch Heimfahrten zur
       enden viele Leute kennenge-  Familie waren eine Zeitlang
       lernt.“ „Und weißt du noch“,   nur unter Auflagen möglich,
       ergänzt Mitbewohnerin Re-   was die 55-jährige Renate,
       nate, „wenn im Sommer je-   die aus Taufkirchen stammt,


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