Page 5 - DRW Gemeinsam - 10/2020
P. 5

Thema



































       Vom Schock zur Einsicht                            Führungs-          tionieren.“ Oder: „Ich verstehe ja, dass wir
       Doch was passiert, wenn zwischen äußeren                              geteilt arbeiten müssen, aber hat man
       Anforderungen und innerer Einstellung eine    verantwortliche         sich auch mal überlegt, wie das bei uns
       zu große (Werte-)Dissonanz entsteht?       sind besonders             gehen soll?“ Erst ab Erreichen der Phase
       Richard Streich, Professor für Wirtschafts-                           der Akzeptanz wird die Veränderung auch
       und Verhaltenswissenschaften, beobachte-        gefordert.            emotional akzeptiert und die Bereitschaft
       te, dass die Fähigkeiten zur Veränderung auf                          Neues auszuprobieren nimmt zu.
       abrupte, plötzliche Ereignisse und der Umgang damit von   Menschen sind eher richtige „Gewohnheitstiere“ und nicht
       der persönlich wahrgenommenen Kompetenz zur Bewälti-   immer offen für Neues. Unfreiwillige Veränderung und
       gung abhängig sind. Er beschrieb die emotionalen Reak-  Wandel werden deshalb häufig als Krise erlebt. Für den
       tionen eines Menschen, die sich im Prozess des Wandels   Begriff Krise beschreibt das chinesische Schriftzeichen
       und der Anpassung zeigen (s. Graphik). Nach anfänglichem  „weiji“ zwei Aspekte: zum einen den destruktiv-gefährli-
       Schock und Verneinung bis hin zur Verdrängung einer    chen Anteil der „Gefahr“ und zum anderen die konstrukti-
       Neuerung wird die anspruchsvolle Phase der Einsicht er-  ve „Chance“ einer Entwicklung, die eine Überprüfung und
       reicht. Äußerlich nimmt der Widerstand ab, doch auf emo-  Neuorientierung von Werten, Prioritäten und Beziehungen
       tionaler Ebene ist die Entscheidung noch nicht akzeptiert   bietet. Führungsverantwortliche sind hier besonders gefor-
       worden. Es kommt zu typischen „Ja, aber…“-Aussagen, wie:   dert, ihre Mitarbeiter mutig und klar, aber situationssensi-
       „Die Entscheidung macht Sinn, aber das kann nicht funk-  bel durch Veränderungsprozesse zu führen.


               hoch                   2. Verneinung
                                      falsches Sicherheitsgefühl, überhöhte   6. Erkenntnis
                                      Einschätzung der Verfahrens- und   Warum gewisse Verfahrens-
                                      Verhaltenskompetenz               und Verhaltensweisen zum    7. Integration
                                                                        Erfolg führen und andere    Übernahme erfolgreicher
                                                                        zum Misserfolg          Verfahrens- und Verhal-
            Heraus-                                                                             tensweisen ins aktive
            fordernde                                                                           Handlungsrepertoire
          und neuartige
           Veränderung                                  3. Einsicht
                                                        In die Notwendigkeit
                                                        von neuen Verfahrens-      5. Ausprobieren
          Wahrgenommene                                 und Verhaltensweisen       und suchen neuer Verfahrens-
          persönliche                                                              und Verhaltensweisen
          Kompetenz zur     1. Schock                                              Erfolge – Misserfolge
          Veränderungs-     großer Unterschied zwischen eigenen                    Ärger – Frustration
          steuerung         und fremden hohen Erwartungen und
                            eigetroffener Realität
                                                                        4. Akzeptanz der Realität
                                                                        „Loslassen” alter Verfahrens-
                                                                        und Verhaltensweisen
               niedrig
                      Beginn der Veränderung                                                   Zeit
       Graphik: 7-Phasen Modell über die Bedeutung von Veränderungen nach R. Streich (Streich, 1997, S.243)


                                                                                                                 5
   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10