Page 13 - DRW Gemeinsam - 10/2020
P. 13

Nachrichten

       „Wer ist eigentlich
                                                              onsmaßnahmen nach Krankenhausentlassung oder nach der
       diese Corinna?“                                        Rückkehr der Bewohnerinnen und Bewohner von Zuhause
                                                              – jedoch immer wieder Sorgen geäußert:
       Ein Einblick in die Gefühlslage der Mitarbeitenden     l  Wie geht es blinden oder alten Menschen in all den Aus-
       in der Corona-Pandemie, aufgeschrieben von             nahmemonaten, für die Berührungen, Nähe und soziale Kon-
       Julia Rampp, Leiterin der Wohneinrichtungen            takte besonders wichtig sind?
       in Pfaffenhausen                                       l  Wie kann es gelingen, Verhaltensauffälligkeiten und Ori-
       Schutzkonzepte, Besuchsregeln, Testungen – Begriffe, die   entierungslosigkeit zu kompensieren, die auftreten, weil der
       man mittlerweile fast nicht mehr hören mag, wenn sie einem   gewohnte Tagesablauf fehlt?
       zum x-ten Mal in den Medien begegnen. Und doch: Es gibt   l  Wie können wir den uns anvertrauten Menschen die so
       auch viele unerwartet positive Erfahrungen in der Pandemie,   dringend benötigte Sicherheit geben und Ungewissheit neh-
       über die Gott sei Dank viel berichtet wurde. Auch wir  im   men, wo wir im Regelungsdschungel oft selber feststecken?
       DRW-Unterallgäu wurden reich beschenkt:                l  Wie gestalten wir die erst von den Behörden und dann
       mit Briefen, Pizzalieferungen, gegenseitigem Aushelfen, un-  der Einrichtung festgelegten Isolationsmaßnahmen für blin-
       glaublich viel Verständnis unserer Mitarbeiter und Angehöri-  de Menschen oder Senioren, denen Verständnis für Zeit, un-
       gen, mit Fensterkonzerten, kleinen Überraschungen, manch-  bekannte Räume, zum Teil unbekannte oder vermummte
       mal sogar mit freien Terminen im Kalender, mit der           Mitarbeitende komplett fehlt und die nicht nachvoll-
       Erkenntnis, dass vieles gar nicht so wichtig ist,                ziehen können, warum sie ihre sozialen Kontakte
       wie gedacht – und vor allem mit Dank.                               oder Gewohnheiten nicht pflegen dürfen?
       Wir haben lange überlegt, ob ein weiterer                             l  Wie erklärt man einem alten Menschen,
       Corona-Beitrag einer zu viel sein könnte                               dessen Zeit endlich ist, dass Besuche
       und uns letztendlich doch dafür ent-                                   nicht oder nur eingeschränkt möglich
       schieden; für unsere Kolleginnen und                                    sind oder „Skype“ am Computer den
       Kollegen auf den Gruppen und Statio-                                    Besuch ersetzen soll?
       nen, mit denen wir die letzten Monate
       viel gesprochen haben, und die die Kon-                                Ohne Erfüllung nach Hause
       sequenzen aller Schutzmaßnahmen über                                  Obwohl wir in allen Einrichtungsteilen unser
       einen langen Zeitraum hautnah spüren                                Bestes geben und den Betreuten und Senio-
       mussten; für unsere Betreuten, die tagtäglich                    rinnen und Senioren in den schwierigsten Phasen
       mit den Auswirkungen der Pandemie leben müssen,              Einzelzuwendung, Abwechslung, Motivation und Würde
       und für die das Virus überwiegend in keiner Weise kognitiv   geben, sind unsere Mitarbeitenden nach langen, in Ganzkör-
       fassbar ist und die heute noch fragen: „Wer ist eigentlich   per-Schutzkleidung verbrachten Arbeitstagen oft ohne Erfül-
       diese Corinna?“                                        lung nach Hause gegangen. Den wesentlichsten Aspekt und
                                                              die Motivation für ihr Tun, unterstützungsbedürftigen Mitglie-
       Hoher Schutzstandard                                   dern unserer Gesellschaft Lebensqualität zu schenken, haben
       Wir tragen als Leitungen von Einrichtungen für Risikopatien-  all unsere Kolleginnen und Kollegen aus unserer Sicht jeden
       ten immer, in besonderen Zeiten wie dieser jedoch erhöht,   Tag im Rahmen der Möglichkeiten mehr als erfüllt. Sie selbst
       große Verantwortung. Gesamtleitung, Mitarbeitervertretungen  aber konnten es oft in der unmittelbaren Betroffenheit und
       und Einrichtungsleitungen der DRW-Region Unterallgäu ha-  Hilflosigkeit für sich so nicht mehr wahrnehmen.
       ben sich deshalb entschieden, durch die komplette Pande-
       miezeit hindurch einen sehr hohen und konsequenten     Botschaft an Behörden und Politik
       Schutzstandard zu setzen und mit Umsicht und Sorgfalt Risi-  Die Mitarbeitenden wünschen sich von den Behörden und
       ken zu minimieren. Bis heute ist es uns so gelungen, Erkran-  Politik, dass die Konsequenzen geforderter Schutzmaßnah-
       kungen zu vermeiden. Unsere Mitarbeitenden aller Einrich-  men für hilfsbedürftige Menschen immer wieder auf den
       tungsteile haben die Inhalte unseres Hygiene- und Schutz-  Prüfstand gestellt und in die Finanzierung ihrer Leistungen
       konzepts vom ersten Tag an großartig mitgetragen und umge-  eingeplant werden. Pflegebedürftige Menschen und ihre Be-
       setzt, auf jede Notwendigkeit flexibel reagiert und es im Rah-  dürfnisse in einer solchen Krise müssen wieder in den Mit-
       men einer Umfrage in der deutlich überwiegenden Anzahl   telpunkt gestellt werden. Sie wünschen sich, dass ihrer Erfah-
       positiv gewertet.                                      rung vertraut wird und Personalschlüssel so bemessen wer-
                                                              den, dass sie im Alltag und erst recht in einer Krise Raum
       Es bleiben Fragen und Sorgen                           geben, um den Schwächsten unserer Gesellschaft so gerecht
       Aus aller Erkenntnis und trotz allem Verständnis haben mei-  werden zu können, wie sie es benötigen. In Krisenzeiten müs-
       ne Kolleginnen und Kollegen  in den verschiedenen Einsatz-  sen diese Schlüssel so tragfähig sein, dass die Umsetzung
       bereichen und Einrichtungsteilen der Region Unterallgäu   notwendiger, rechtlicher Anforderungen nicht zu Lasten der
       – gerade in Zusammenhang mit der Umsetzung von Isolati-  zu Pflegenden geht, weil die Zeit für sie nicht ausreicht.

                                                                                                                13
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18